254
gen Gefechten wurden die Österreicher binnen 8 Tagen auf allen
Punkten mit einem Verlust von 22,000 Mann an Todten, Verwunde-
ten und Gefangenen gegen 14 Meilen weit zurückgedrängt, und da-
durch zugleich die Vereinigung aller drei preußischen Armeen
hergestellt. Mit dieser Vereinigung war der Zeitpunkt gekommen,
wo der König Wilhelm den Oberbefehl über die Gesammt-Armee
übernehmen sollte. Am 30. Juni verließ derselbe Berlin und traf am
2. Juli in Gitfchin bei der Armee ein, sofort das Ober-Kommando
übernehmend. Viernndzwanzig Stunden später hatte der König mit
diesem größten preußischen Heere, welches je auf einem einzigen Schlacht-
felde versammelt war, eine der glänzendsten Schlachten geliefert, welche
die Kriegsgeschichte kennt — und das rvar:
31. Die Schlacht bei Königgrätz.
(3. Juli 1866.)
(Son einem Augenzeugen.)
„Nachdem am Nachmittag des 2. Juli dem Ober-Kommandeur der
I. Armee, Prinzen Friedrich Karl, gemeldet worden, daß die öster-
reuwche Armee sich vor Königgrätz in bedeutender Stärke conzentrirt*)
habe, und nachdem die Befehle des Königs eingeholt waren, wurde der
Beschluß gefaßt, es nicht auf einen feindlichen Angriff ankommen zu
lassen, sondern sofort selbst anzugreifen.
In der Nacht vom 2. zum 3. Juli rückte Prinz Friedrich Karl mit
der 1. Armee in gerader Richtung auf Königgrätz vor. Der erste Ka-
nonenschuß fiel gegen 7 Uhr Morgens. Der Feind entwickelte von An-
beginn des Artilleriekampfes an eine wahrhaft furchtbare Macht an Ge-
schähst. Er stand bei Sadowa vor einem dichten Gehölz, das seine
Batterien**) vorzüglich bestrichen und das allem Vordringen ein un-
überwindliches Hinderniß entgegenzusetzen schien. Bald nach 8 Uhr erschien
vor Sadowa, von wo aus Prinz Friedrich Karl das Gefecht dirigirte,
Se. Majestät der König Wilhelm, begleitet von einer zahlreichen
Smte***), in welcher sich u. A. Prinz Karl, der Großherzog von
Mecklenburg-Schwerin, Graf von Bismarck, General von
Moltke, der Kriegsminister General von Roon befanden. Der
König leitete und verfolgte vom Augenblick seiner Ankunft an mit ge-
spanntester, ernstester Aufmerksamkeit die Schlacht. Seine Erscheinung,
die im Verlaufe dieses denkwürdigen und glorreichen Tages noch so
v«l dazu beitragen sollte, den herrlichen Erfolg unserer Waffen zu
sichern, war majestätisch und schön, wie immer, aber ganz besonders
erfüllt von dem Ausdrucke einer Festigkeit und eines selbstbewußten
Muthes, wie ihn nur der Kriegsherr einer solchen Armee in sich tragen
kann. Man sah und fühlte: So sieht ein König aus, der siegen will!
*"> eonzentrirer, «= auf einem Punkte zusammenziehen/ vereinigen
**} Batterien --- Geschntzstand, die Geschütze selbst.
***) Suite --- Gefolge, Begleitung.
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TM Hauptwörter (100): [T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch]]
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Friedrich_Karl Friedrich Karl Friedrich_Karl Friedrich Karl Friedrich_Karl Friedrich Karl Wilhelm Karl Karl Graf_von_Bismarck General_von
Moltke General_von_Roon
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Gitfchin Mecklenburg-Schwerin
261
rungszüge seines Onkels wieder beginnen würden. Es ging aber doch
nicht ganz so, wie sie wünschten. Denn im Jahre 1866 mußten sie es
erleben, daß die Deutschen im eigenen Hause ausräumten, ohne daß sie
mithalfen und ohne daß sie einen Vortheil davon hatten. Das erregte
ihren alten Haß und Neid, besonders gegen Preußen, welches den
großen Sieg von Königgrätz allein erfochten und durch die Gründung
des norddeutschen Bundes, sowie durch die Schutz- und Trutz-
bündnisse mit den Südstaaten, die Einigung Deutschlands so
kräftig angebahnt hatte. Schon vor dem Kriege 1866 und bald nach-
her hatte der französische Botschafter Benedetti dem norddeutschen
Bundeskanzler Grafen Bismarck wiederholt Bündnisse angetragen, in
denen es auf nichts weniger abgesehen war, als auf Abtretung alles
deutschen Landes zwischen Mosel und Rhein, oder die Erwerbung
von Luxemburg und Belgien für Frankreich. Als aber diese Ver-
suche, sich auf Kosten Deutschlands zu vergrößern, ohne Erfolg blieben,
schrieen die Franzosen: „Rache für Königgrätz!", wie sie früher ge-
schrieen hatten: „Rache für Leipzig und Waterloo!" — König
Wilhelm aber ließ sie schreien, während seine Fürsorge vor Allem
darauf gerichtet war, durch den Ausbau des norddeutschen Bundes die
Friedensarbeit und den Wohlstand des Volkes zu heben. Von den
vielen zu diesem Zwecke mit dem Reichstage vereinbarten und bereits
eingeführten Gesetzen seien hier nur genannt: die „Gewerbeordnung",
das „Strafgesetz", das „Freizügigkeitsgesetz" und das Gesetz
über einheitliches „Maß und Gewicht".
So kam der Sommer des denkwürdigen Jahres 1870. Tiefer
Friede ruhte über der Erde. Die Eisenbahnzüge füllten sich täglich
mehr mit Reisenden; Kranke eilten, Genesung suchend, hoffnungsvoll in
die Bäder. Auch das alte, weltberühmte Bad Ems an der Lahn hatte
sich durch zahlreichen Zuzug aus allen Theilen der Erde neu belebt.
Aus der Menge der Kurgäste ragte eine hohe und mächtige Gestalt
um Haupteslänge hervor: ein Greis mit silberweißem Haar und Bart,
aber jugendlich noch in seinem Schritt und in seiner ganzen Erschei-
nung. Dieser alte Herr in schwarzer Kleidung, mit dem freundlichen
Wesen war der König Wilhelm von Preußen, der alljährlich in
Ems sich einige Wochen Erholung gönnt, um sich an der sprudelnden
Heilquelle und in gesunder Bergluft zu stärken zu neuer Arbeit. Die
Bewohner des Städtchens und die Besucher desselben freuen sich jedes-
mal über seine Ankunft; Jedermann liebt ihn.
Doch nur wenige Wochen sollte dieses friedliche Stillleben dauern.
Denn „es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben, wenn es dem
bösen Nachbar nicht gefällt." — Am 4. Juli brachten die Zeitungen
die Nachricht, daß dem Prinzen Leopold von Hohenzollern von der
spanischen Regierung die Königskrone von Spanien angetragen sei und
daß der Prinz sich zur Annahme derselben bereit erklärt habe. „Was,"
schrieen jetzt die Franzosen, „ein Hohenzoller auf Spaniens Thron?"
„Das duldet das große, das herrliche Frankreich nicht." Also schrieen
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Extrahierte Personennamen: Benedetti Wilhelm Wilhelm Leopold_von_Hohenzollern Leopold
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Rhein Luxemburg Belgien Frankreich Deutschlands Leipzig Bad_Ems Spanien Spaniens Frankreich
262
i
der Kaiser, die Minister, die Zeitungsschreiber und Zeitungsleser in einem
Chor. Am 9. Juli erschien dann der französische Botschafter Bene-
detti in Ems mit dem Verlangen seiner Regierung, der König von
Preußen möge dem Prinzen von Hohenzollern die Annahme der Königs-
krone von Spanien verbieten. Der König gab eine verneinende Ant-
wort: „er habe dem Prinzen die Annahme nicht befohlen und könne
ihm die Nichtannahme ebensowenig befehlen". Da kam die Nachricht,
der Prinz habe freiwillig auf die Krone Spaniens verzichtet, weil er
um seiner Person willen Preußen und Deutschland nicht in einen Krieg
verwickeln wolle. Doch auch damit begnügte man sich in Paris nicht.
Am 13. Juli drängte sich Benedetti auf der Promenade dem Könige
auf mit der verletzenden Forderung seiner Regierung: der König möge
in einem eigenhändigen Schreiben an den Kaiser den Verzicht des
Prinzen bestätigen und, mit Beifügung einer Entschuldigung, die Ver-
sicherung ertheilen, er werde niemals wieder seine Einwilligung
geben, wenn die spanische Krone etwa in Zukunft dem Prinzen ange-
boten werden sollte. In gerechter Entrüstung wandte sich der König
ab und schritt seiner Wohnung zu, und als Benedetti ihn hier noch
einmal zu sprechen wünschte, ließ er demselben durch seinen Adjutanten
sagen, der König habe ihm nichts weiter mitzutheilen.
Jetzt hatte man in Paris den lange gesuchten Vorwand zum Kriege
gefunden und schrie: „Nieder mit Preußen! Es lebe der Krieg!
Nach Berlin!" U. s. w.
Am 15. Juli reiste der König von Ems nach Berlin ab. Ein
begeisterter Empfang wurde ihm auf der ganzen Reise zu Theil, be-
sonders in Berlin. Am 19. Juli eröffnete der König den zusammen-
berufenen Reichstag durch eine Thronrede, die er mit den Worten schloß:
„Je unzweideutiger es vor Aller Augen liegt, daß man uns das Schwert
in die Hand gezwungen hat, mit um so größerer Zuversicht wenden wir
uns, gestützt auf den einmüthigen Willen der deutschen Regierungen des Südens
wie des Nordens, an die Vaterlandsliebe und Opferwilligkeit des deutschen
Volkes mit dem Ausrufe zur Vertheidigung seiner Ehre und seiner Unab-
hängigkeit. Wir werden nach dem Beispiele unserer Väter für unsere Freiheit
und für unser Recht gegen die Gewaltthat fremder Eroberer kämpfen und in
diesem Kampf, in dem wir kein anderes Ziel verfolgen, als den Frieden
Europas dauernd zu sichern, wird Gott mit uns sein, wie er mit unsern
Vätern war."
Als der König geendet, erhob sich ein donnernder Sturm der Be-
geisterung. — Eine Stunde später wurde die Sitzung wieder eröffnet.
Tiefe Stille lagerte über der Versammlung, als der Bundeskanzler
Graf Bismarck erschien, um eine Mittheilung zu machen. „Frank-
reich", sagte er, „hat den Krieg erklärt." Er konnte nicht weiter
reden; ein Jubel, ein Bravorufen erfüllte das ganze Haus; Alle
stimmten in den Ruf: „Mit Gott für König und Vaterland!"
Diese patriotische Begeisterung fand überall lauten Wiederhall. Aus
allen Theilen Deutschlands, selbst von den Deutschen in Amerika, ge-
langten an König Wilhelm räglich, stündlich Kundgebungen der
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Hrsg.: Nowack, Hugo, Steinweller, F., Sieber, Hermann, Rohn, R. A., Paust, J. G.
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Simultanschule
Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
72
§ 32. Friedrich Wilhelm Hl
halt ward auf das einfachste eingerichtet; die Majestäten gaben ihre silbernen
und goldenen Geräte und ihre Schmucksachen hin, und so konnte die schwere
Kriegsschuld schon nach kurzer Zeit bezahlt werden. Dadurch wurde das
Land die drückende Einquartierung der Franzosen los, die nach den Frie-
densbedingungen bis zur Bezahlung der Kriegsschuld in Preußen bleiben
sollte. — Der Preußische Staat war vor allem dadurch an den Rand des
Verderbens gekommen, daß der Bürger- und Bauernstand in stumpfer
Gleichgültigkeit gegen die Geschicke des Vaterlandes befangen war, und daß
dem ganzen Volke der ernste religiöse Sinn verloren gegangen war. „Weil
wir von Gott abgefallen sind, darum sind wir gesunken", schrieb damals
die Königin Luise. Darum nahmen der König und Stein heilsame Ver-
besserungen vor, um im Volke eine regere Teilnahme am Ergehen des
Staates und einen sittlichen, religiösen und opferwilligen Geist zu erwecken.
Der Bauernstand war damals noch erbuntertänig, d. h. der Bauer
war nicht selber Besitzer von Grund und Boden; dieser gehörte dem Guts-
herrn, der an Abgaben und schweren Frondiensten meist soviel forderte,
daß der Bauer nur gerade das von dem Ertrage der Äcker behielt, was
er notwendig brauchte. Ohne Erlaubnis des Gutsherrn durfte der Bauer
seinen Wohnsitz nicht verlassen, seine Kinder kein Gewerbe erlernen lassen
und selbst nicht einmal heiraten. Diese Erbuntertänigkeit hob der
König auf. So wurde der Bauer freier Eigentümer seiner Äcker, an deren
Ertrag er seine Freude hatte.
Den Bürgern in den Städten gab der König 1808 eine Städte-
ordnung, durch die sie das Recht erhielten, aus ihrer Mitte Stadtverord-
nete zu wühlen. Diese erwählten wieder den Magistrat mit dem Bürger-
meister an der Spitze, doch bedurfte diese Wahl der Bestätigung der Regierung.
Auf diese Weise erlangten die Bürger Anteil an der Verwaltung des
städtischen Vermögens und der Stadtangelegenheiten.
Des Königs treuer Berater im Heerwesen war General Scharnhorst.
Auf seinen Rat wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Seit
dieser Zeit muß jeder Preuße, der körperlich kräftig ist, Soldat werden.
Die angeworbenen Fremdlinge im Heere wurden entlassen, die entehrenden
Strafen der Soldaten abgeschafft, und bald galt es für eine Ehre, des
Königs Rock zu tragen. — Da der König nicht mehr als 42000 Soldaten
halten durfte, so wurden die Rekruten schnell ausgebildet, dann entlassen
und andere eingezogen. Aber wenn der König rief, so mußten die Ent-
lassenen, die Landwehr, wiederum zu den Fahnen eilen.
Der Freiherr vom Stein erschien Napoleon bald gefährlich; darum
wurde er geächtet; doch gelang es ihm, nach Rußland zu entfliehen. Der
König aber regierte in Steins Sinne weiter, und bald trugen die Ver-
besserungen ihre Früchte: allerwürts regte sich die Vaterlandsliebe und der
Haß gegen die fremden Bedrücker. Fichte hielt an der neugegründeten
Üniversität zu Berlin seine zündenden „Reden an die deutsche Nation".
Der Turnvater Jahn stählte durch feine Turnerei die Kräfte von jung
und alt und nährte glühenden Franzosenhaß in den Herzen seiner Freunde.
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Hrsg.: Nowack, Hugo, Steinweller, F., Sieber, Hermann, Rohn, R. A., Paust, J. G.
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
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Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
74
§ 33. Die Befreiungskriege.
hier sollte ihn die göttliche Gerechtigkeit ereilen. Der russische Statthalter
ließ, nachdem fast alle Bewohner geflohen waren, die prächtige Stadt an-
zünden, um den Franzosen das Überwintern in derselben unmöglich zu
machen. Kaiser Alexander wies alle Friedensvorschläge Napoleons zurück,
und so sah sich dieser gezwungen. Ende Oktober den Rückzug durch das
gänzlich ausgesogene Land anzutreten. Die Westeuropäer im französischen
Heere, an den strengen russischen Winter nicht gewöhnt, erlagen massenweise
dem Hunger und dem Froste. Verfolgt von nimmer rastenden Kosaken-
schwärmen, wurde das Heer, in dem bald alle Ordnung aufhörte, nach
Westen gedrängt. Bei dem Übergange über die Beresina, einem Neben-
flüsse des Dniepr, erreichte das Elend seinen Höhepunkt. Die Brücken brachen,
Tausende fanden in den Fluten den Tod, und ungeheuer groß war die
Zahl derer, die in russische Gefangenschaft gerieten. Napoleon eilte nach
Paris, die Trümmer seines gewaltigen Heeres ihrem Schicksale überlassend.
Im elendesten Zustande langten kaum 30000 Mann als Rest des ge-
waltigen Heeres in Polen an.
2. Preußens Erhebung. Die Kunde von dem Strafgericht Gottes
über Napoleon erweckte in den Herzen vieler Preußen die Hoffnung, daß
jetzt die Stunde der Befreiung von dem französischen Joche geschlagen habe.
General Jork, der Führer des preußischen Hilfsheeres, schloß unter dem
Jubel seiner Soldaten mit den Russen am 30. Dezember zu Tauroggen
(nordöstlich von Tilsit) einen Vertrag ab, nach welchem das preußische Heer
für neutral erklärt wurde. Zwar mußte der König diesen Schritt zunächst
mißbilligen, denn in Berlin war er völlig in der Gewalt der Franzosen.
Aber im Januar begab er sich nach Breslau. Am 3. Februar erließ er
einen Aufruf zur Bildung freiwilliger Jägerkorps; bald darauf schloß
er ein Bündnis mit Rußland und stiftete am Geburtstage seiner unvergeßlichen
Luise, am 10. März, das Eiserne Kreuz. Die Fahnen erhielten die Inschrift:
„Mit Gott für König und Vaterland", und am 17. März rief er sein ganzes
Volk zu den Waffen. In diesem ewig denkwürdigen Erlasse mahnte der
König sein Volk mit ergreifenden Worten: „Keinen andern Ausweg gibt
es, als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang, weil
ehrlos der Preuße und Deutsche nicht zu leben vermag."
Das 'Volk blieb die Antwort auf diesen Ruf nicht schuldig. Von den
adeligen Herrensitzen wie aus der ärmlichen Bauernhütte, aus der Werkstatt
wie vom Lehrstuhle und der Schulbank eilten Greise, Männer und Jüng-
linge herbei, um für das Vaterland zu streiten. Fast 300000 Mann standen
in der Kürze kampfbereit unter den Waffen, von 18 Bewohnern trat immer
ein Mann ins Heer ein. Die Streiter wurden im Gotteshause eingesegnet;
der Krieg galt als ein „Kreuzzug, als ein heiliger Krieg". Wer selbst nicht
mitziehen konnte, der gab das Edelste und Kostbarste seiner Habe her zur
Ausrüstung des Heeres. So wurden z. B. 150000 goldene Trauringe
von Eheleuten gegen eiserne eingetauscht. Das größte Opfer aber brachte
doch der König Friedrich Wilhelm: denn er setzte in diesem Kampfe seine
Krone und seinen Staat aufs Spiel. — Gehoben wurde diese allgemeine
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§ 39. Der Deutsch-französische Krieg 1870 u. 71.
85
60 Millionen Mark Kriegskosten. Preußen nahm Schleswig-Holstein, Hannover,
Kurhessen, Nassau und Frankfurt a. M. in Besitz und gründete mit allen
Staaten nördlich vom Main den Norddeutschen Bund. — Mit den
süddeutschen Fürsten schloß König Wilhelm ein Schutz- und Trutzbündnis
und wurde für den Kriegsfall zum Oberbefehlshaber auch der süddeutschen
Truppen bestimmt. — Gegen Italien hatte Österreich zwar gesiegt, doch
mußte es an jenes Venetien abgeben.
§ 39. Der Deutsch-französische Krieg 1870 und 71.
1. Ursache. Napoleon Iii. hatte nach seinen glücklichen Kriegen
(s. § 35. 6) die erste Rolle in Europa gespielt. Das französische Volk
nannte sich die große Nation und hielt sich für das ruhmreichste der Erde.
Nun war 1866 Preußen zu ungeahnter Macht gelangt, und sein Kriegs-
ruhm drohte den französischen zu verdunkeln. Die französische Eitelkeit
forderte eine Genugtuung, und so verlangte Napoleon vom König von
Preußen die Abtretung deutscher Gebiete auf dem linken Rheinufer. Selbst-
verständlich wies der echt deutsch gesinnte König Wilhelm dieses Ansinnen
zurück. Nun kannte der beleidigte Ehrgeiz der Franzosen keine Grenze mehr.
„Rache für Sadowa!" das wurde zmu Schlagworte für ganz Frank-
reich. Da ein stichhaltiger Grund zu einem Kriege nicht vorlag, so wurde
ein ganz nichtiger Anlaß zum Vorwand benutzt. Die Spanier hatten nüm-
lich ihre Königin vertrieben. Sie suchten nach einem neuen Könige, und
dabei fiel ihre Wahl, neben anderen, auf den Prinzen Leopold von
Hohenzollern. Das war ein entfernter Verwandter König Wilhelms,
aber auch des Kaisers Napoleon. Einen Hohenzollern aber wollten die
Franzosen in keinem Falle auf dem spanischen Throne dulden. Darum
sandte Napoleon seinen Botschafter Benedetti zum König Wilhelm, der
gerade zur Stärkung seiner Gesundheit im Bade Ems in Nassau weilte,
und forderte, der König solle dem Prinzen Leopold die Annahme der spa-
nischen Krone verbieten. Diese Forderung wies der König zurück, da der
Prinz in seinen Entschlüssen frei und selbständig sei. Obgleich nun der
Prinz auf die Krone verzichtete, so verlangte Napoleon doch, um König
Wilhelm zu demütigen, derselbe solle in aller Form erklären, daß er nie-
mals gestatten werde, daß ein Hohenzoller auf den spanischen Thron be-
rufen würde. Trotz mehrfacher Abweisung versuchte es Benedetti immer
wieder, die Erklärung, die Napoleon forderte, vom Könige zu erlangen. Da
ließ ihm der König Wilhelm sagen, daß er in dieser Angelegenheit nicht mehr
mit ihm verhandeln wolle. Das ganze deutsche Volk aber war empört über
die Beleidigung, die unserm ehrwürdigen König angetan war. — Die Fran-
zosen dagegen fühlten sich aufs tiefste verletzt, und „Krieg, Krieg!" und
„Nach Berlin, nach Berlin!" ertönte es durch ganz Frankreich. König
Wilhelm reiste sofort nach Berlin, denn die Lage war ernst. Wohin er
kam, wurde er in zwar feierlich-ernster, doch aber in hochbegeisterter Weise
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Hohenzollern Leopold König_Wilhelms Wilhelms Napoleon Napoleon Benedetti Wilhelm Leopold Leopold Napoleon Wilhelm Benedetti Napoleon Wilhelm Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Schleswig-Holstein Hannover Kurhessen Nassau Frankfurt_a._M. Main Italien Europa Frank- Bade_Ems Nassau Berlin Berlin Frankreich Berlin
Hrsg.: Nowack, Hugo, Steinweller, F., Sieber, Hermann, Rohn, R. A., Paust, J. G.
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Simultanschule
Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
§ 41. Friedrich Iii.
91
erfüllbar sind. Damit hat er das Vaterland dem innern Frieden näher
geführt.
4. Unter den Mitarbeitern Kaiser Wilhelms ragt ein Dreigestirn hervor:
Albrecht v. Roon, vom Kaiser in den Grafenstand erhoben, wurde 1803 in
Pommern geboren. Er hat als Kriegsminister die Neugestaltung des preußischen Heeres
im Sinne Wilhelms I. durchgeführt. Ihm war es zu danken, daß bei den Kriegen die
Armee so schnell kampfbereit an die Grenzen geschickt werden konnte. Er starb 1879.
Helmut v. Mvltke, der große Schlachtendenker, wurde 1800 in Mecklenburg ge-
boren. Er war erst dänischer Offizier, trat aber bald in preußische Dienste. Die Feld-
zugspläne der Kriege 1864—70 hat er entworfen, und seine Berechnungen haben sich
stets als genau erwiesen. Wie hoch ihn auch Kaiser Wilhelm Ii. und das ganze Volk
verehrte, das zeigte sich an seinem 90. Geburtstage, der als allgemeiner Festtag gefeiert
wurde. Er starb im April 1891.
Otto v. Bismarck, geboren 1815 zu Schönhausen in der Altmark, war früher
preußischer Gesandter in Petersburg und Paris. 1862 berief ihn König Wilhelm I. zum
Ministerpräsidenten. Neben Roon und Moltke verdankt ihm Preußen zunächst die Durch-
führung der Heeresreorganisation. Bis zum Jahre 1866 wurde er, weil er sich um die
Einreden der Abgeordneten nicht kümmerte, sehr viel angegriffen. Aber nach den Erfolgen
der Jahre 1866, 70 und 71 wurde er, vom Kaiser in den Fürstenstand erhoben, der all-
verehrte Liebling des Volkes, das sehr wohl weiß, daß Deutschland des Fürsten Tüchtig-
keit einen großen Teil seiner Errungenschaften verdankt. Er, „der Baumeister des neuen
Deutschen Reiches", war der erste Staatsmann der Welt. Im März 1890 legte er sein
Amt nieder. Seitdem lebte er auf seiner Besitzung in Friedrichsruh im Sachsenwalde, oft
begrüßt von dankbaren Volksgenossen. Auf die Nachricht von seinem Tode, 31. Juli 1898,
eilten Kaiser und Kaiserin dahin, ihre Teilnahme zu bezeugen. In der ganzen Welt ge-
dachte man voll Trauer der Verdienste des großen Toten.
5. Als ein wackerer Helfer Kaiser Wilhelms I. ist zu nennen sein Neffe, der ritter-
liche Prinz Friedrich Karl. Für seine hervorragenden Verdienste in den drei .Kriegen
wurde er zum Feldmarschall ernannt. Leider starb er schon 1885 in seinem 57. Lebensjahre.
§ 41. Friedrich Iii.
1. Jugendzeit. Er wurde am 18. Oktober 1831 als Sohn des nach-
maligen Kaisers Wilhelm I. geboren und genoß eine sehr sorgfältige Erziehung,
so daß er ein Christ voll aufrichtiger Frömmigkeit und, wie alle Hohenzollern,
ein tüchtiger Soldat wurde. Seine edle Mutter weckte und pflegte frühe
in ihm auch die Liebe zu Kunst und Wissenschaft. Er studierte in Bonn
und trat mit 18 Jahren als Offizier in das Heer. — Auf weiten Reisen
wurde des Prinzen Geist gebildet. Auf einer derselben lernte er die Prin-
zessin Viktoria von England kennen, die er zu seiner Lebensgefährtin erkor.
2. Friedrich Iii. cas Feldherr. Als König Wilhelm I. 1866 gegen die
Österreicher in den Krieg zog, übertrug er seinem Sohne den Oberbefehl
über ein Herr. Vom Krankenbette eines zweijährigen Söhnleins hinweg
mußte der Kronprinz .ns Feld ziehen. Das Kind starb, aber der Vater
eilte nicht nach Hause, seine Gattin zu trösten, sondern er erfüllte als Sol-
dat und Feldherr seme Pflicht. (Lies § 38, 2.)
Im Jahre 1870 war kurz vor Ausbruch des Krieges dem Kronprinzen ein
Töchterchen geboren worden. Er ließ dasselbe schnell vor seinem Auszuge noch
taufen, wie in jener Zeit mancher Landwehrmann. (Hesekiel: Grab und
Wiege.) — Mit seinem Heere errang er viele herrliche Siege (§ 39, 3 u. 5).
TM Hauptwörter (50): [T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T35: [König Bismarck Wilhelm Kaiser General Minister Stein Berlin Graf Moltke], T157: [Friedrich Wilhelm Iii Kaiser König Karl groß Preußen Kurfürst Jahr], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T61: [Wilhelm Friedrich Prinz König Luise Jahr Königin Gemahlin Prinzessin Kaiser]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Iii Friedrich Wilhelms Wilhelms Albrecht_v Albrecht Wilhelms_I. Helmut_v Wilhelm Otto Bismarck Wilhelm_I. Wilhelms_I. Wilhelms_I. Friedrich Friedrich_Iii Friedrich Wilhelm_I. Viktoria_von_England Friedrich_Iii Friedrich Wilhelm_I. Hesekiel
Extrahierte Ortsnamen: Pommern Mecklenburg Altmark Petersburg Paris Deutschland Friedrichsruh Sachsenwalde Bonn
Hrsg.: Nowack, Hugo, Steinweller, F., Sieber, Hermann, Rohn, R. A., Paust, J. G.
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Simultanschule
Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
§ 38. Der Deutsche Krieg 1866.
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8 38. Der Deutsche Krieg 1866.
1. Die eigentliche Ursache zum Bruderkriege war der Neid, mit dem
man in'österreich und in vielen anderen Staaten auf das mächtig gewor-
dene Preußen schaute. Preußen sollte erniedrigt werden. Im Gasteiner
Vertrage hatte Preußen das Herzogtum Lanenburg käuflich erworben und
die Verwaltung Schleswigs übernommen, während Österreich in Holstein
herrschen sollte. Entgegen diesem Vertrage wollte Österreich aus Schleswig-
Holstein einen neuen Kleinstaat machen. Auch damit wäre Preußen noch
zufrieden gewesen, wenn man ihm die Hoheit über die Flotte und das Heer
dieses Landes zugestanden hätte. Doch diese Machtvergrößerung gönnte
Österreich Preußen nicht. Es übergab vielmehr diese Angelegenheit dem
deutschen Bundestage zur Entscheidung und berief eine Versammlung der
holsteinischen Stände. Das war ein Bruch des Gasteiner Vertrags, und
darum ließ König Wilhelm Holstein durch seine Truppen besetzen. Da be-
schloß der Bundestag auf Österreichs Antrag den Krieg gegen Preußen,
König Wilhelm erklärte den Deutschen Bund für aufgelöst und machte sein
Heer mobil. Nur wenige deutsche Staaten stellten sich auf Preußens Seite,
so Braunschweig, Mecklenburg und Oldenburg. Mit dem Könige von
Preußen verbündete sich der König von Italien, der Venetien erobern wollte.
Sachsen, Hannover und Kurhessen wurden von Preußen die günstigsten
Bedingungen gestellt, doch traten sie auf Österreichs Seite. Sofort wurden
die Hauptstädte dieser drei Staaten von den Preußen besetzt. — Diese
stellten eine Westarmee auf, die nach dem Maine zu marschierte, und die
Hauptarmee, 256000 Mann in Sachsen und Schlesien.
2. Der Krieg in Böhmen. Die Hauptarmee rückte nach dem Plane
des großen Schlachtendenkers, General Moltke, in drei gewaltigen Heeres-
säulen in Böhmen ein: die Erste Armee unter dem Oberbefehle des
Prinzen Friedrich Karl über Zittau und Neichenberg in Böhmen, die
Zweite Armee unter dem Kronprinzen von Landeshut und Glatz her
und die Elb arme e, befehligt von Herwarth von Bittenfeld, von Dresden
ans. Alle drei Armeen sollten sich im Tal der oberen Elbe vereinigen.
Die Elbarmee kämpfte siegreich bei Hühnerwasser; Prinz Friedrich Karl
siegte bei Münchengrätz und Gitschin. Die Zweite Armee, zuerst bei
Trautenau zurückgeschlagen, siegte hier am Tage darauf und schlug die
Österreicher entscheidend bei Nachod, Skalitz und Schweinschädel, wo Ge-
neral von Steinmetz das Kommando führte. Jetzt eilte König Wilhelm
selbst, trotz seiner siebzig Jahre, zu seiner Armee, begleitet von Bismarck,
Moltke und Roon, und traf am 2. Juli in Gitschin ein. An demselben
Tage erhielt er die Meldung, daß die gesamte österreichische Armee unter
dem General Benedek nur drei Meilen entfernt bei Königgrätz und
Sadowa stehe. Schon am folgenden Tage sollte sie angegriffen werden.
In der Nacht ward dem Kronprinz der Befehl überbracht, so schnell als
möglich auf dem Kampfplatze zu erscheinen.
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Wilhelm General_Moltke Friedrich_Karl Friedrich Karl Glatz Herwarth_von_Bittenfeld Friedrich_Karl Friedrich Karl König_Wilhelm Wilhelm Bismarck Benedek
Hrsg.: Steinweller, F., Sieber, Hermann, Paust, J. G., Rohn, R. A.
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Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
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§ 32. Friedrich Wilhelm Iii.
halt ward auf das einfachste eingerichtet; die Majestäten gaben ihre silbernen
und goldenen Geräte und ihre Schmucksachen hin, und so konnte die schwere
Kriegsschuld schon nach kurzer Zeit bezahlt werden. Dadurch wurde das
Land die drückende Einquartierung der Franzosen los, die nach den Frie-
densbedingungen bis zur Bezahlung der Kriegsschuld in Preußen bleiben
sollte. — Der Preußische Staat war vor allem dadurch an den Rand des
Verderbens gekommen, daß der Bürger- und Bauernstand in stumpfer
Gleichgültigkeit gegen die Geschicke des Vaterlandes befangen war, und daß
dem ganzen Volke der ernste religiöse Sinn verloren gegangen war. „Weil
wir von Gott abgefallen sind, darum sind wir gesunken", schrieb damals
die Königin Luise. Darum nahmen der König und Stein heilsame Ver-
besserungen vor, um im Volke eine regere Teilnahme am Ergehen des
Staates und einen sittlichen, religiösen und opferwilligen Geist zu erwecken.
Der Bauernstand war damals noch erbuntertänig, d. h. der Bauer
war nicht selber Besitzer von Grund und Boden; dieser gehörte dem Guts-
herrn, der an Abgaben und schweren Frondiensten meist soviel forderte,
daß der Bauer nur gerade das von dem Ertrage der Äcker behielt, was
er notwendig brauchte. Ohne Erlaubnis des Gutsherrn durfte der Bauer
seinen Wohnsitz nicht verlassen, seine Kinder kein Gewerbe erlernen lassen
und selbst nicht einmal heiraten. Diese Erbuntertänigkeit hob der
König auf. So wurde der Bauer freier Eigentümer seiner Äcker, an deren
Ertrag er seine Freude hatte.
Den Bürgern in den Städten gab der König 1808 eine Städte-
ordnung, durch die sie das Recht erhielten, aus ihrer Mitte Stadtverord-
nete zu wählen. Diese erwählten wieder den Magistrat mit dem Bürger-
meister an der Spitze, doch bedurfte diese Wahl der Bestätigung der Regierung.
Auf diese Weise erlangten die Bürger Anteil an der Verwaltung des
städtischen Vermögens und der Stadtangelegenheiten.
Des Königs treuer Berater im Heerwesen war General Scharnhorst.
Auf seinen Rat wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Seit
dieser Zeit muß jeder Preuße, der körperlich kräftig ist, Soldat werden.
Die angeworbenen Fremdlinge im Heere wurden entlassen, die entehrenden
Strafen der Soldaten abgeschafft, und bald galt es für eine Ehre, des
Königs Rock zu tragen. — Da der König nicht mehr als 42000 Soldaten
halten durfte, so wurden die Rekruten schnell ausgebildet, dann entlassen
und andere eingezogen. Aber wenn der König rief, so mußten die Ent-
lassenen, die Landwehr, wiederum zu den Fahnen eilen.
Der Freiherr vom Stein erschien Napoleon bald gefährlich; darum
wurde er geächtet; doch gelang es ihm, nach Rußland zu entfliehen. Der
König aber regierte in Steins Sinne weiter, und bald trugen die Ver-
besserungen ihre Früchte: allerwärts regte sich die Vaterlandsliebe und der
Haß gegen die fremden Bedrücker. Fichte hielt an der neugegründeten
Universität zu Berlin seine zündenden „Reden an die deutsche Nation".
Der Turnvater Jahn stählte durch seine Turnerei die Kräfte von jung
und alt und nährte glühenden Franzosenhaß in den Herzen seiner Freunde.
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn]]
TM Hauptwörter (200): [T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T35: [König Bismarck Wilhelm Kaiser General Minister Stein Berlin Graf Moltke], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Napoleon Jahn
Hrsg.: Steinweller, F., Sieber, Hermann, Paust, J. G., Rohn, R. A.
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Simultanschule
Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
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§ 33. Die Befreiungskriege.
hier sollte ihn die göttliche Gerechtigkeit ereilen. Der russische Statthalter
ließ, nachdem fast alle Bewohner geflohen waren, die prächtige Stadt an-
zünden, um den Franzosen das Überwintern in derselben unmöglich zu
machen. Kaiser Alexander wies alle Friedensvorschläge Napoleons zurück,
und so sah sich dieser gezwungen. Ende Oktober den Rückzug durch das
gänzlich ausgesogene Land anzutreten. Die Westeuropäer im französischen
Heere, an den strengen russischen Winter nicht gewöhnt, erlagen massenweise
dem Hunger und dem Froste. Verfolgt von nimmer rastenden Kosaken-
schwärmen, wurde das Heer, in dem bald alle Ordnung aufhörte, nach
Westen gedrängt. Bei dem Übergange über die Beresina, einem Neben-
flüsse des Dniepr, erreichte das Elend seinen Höhepunkt. Die Brücken brachen,
Tausende fanden in den Fluten den Tod, und ungeheuer groß war die
Zahl derer, die in russische Gefangenschaft gerieten. Napoleon eilte nach
Paris, die Trümmer seines gewaltigen Heeres ihrem Schicksale überlassend.
Im elendesten Zustande langten kaum 30000 Mann als Rest des ge-
waltigen Heeres in Polen an.
2. Preußens Erhebung. Die Kunde von dem Strafgericht Gottes
über Napoleon erweckte in den Herzen vieler Preußen die Hoffnung, daß
jetzt die Stunde der Befreiung von dem französischen Joche geschlagen habe.
General Jork, der Führer des preußischen Hilfsheeres, schloß unter dem
Jubel seiner Soldaten mit den Russen am 30. Dezember zu Tauroggen
(nordöstlich von Tilsit) einen Vertrag ab, nach welchem das preußische Heer
für neutral erklärt wurde. Zwar mußte der König diesen Schritt zunächst
mißbilligen, denn in Berlin war er völlig in der Gewalt der Franzosen.
Aber im Januar begab er sich nach Breslau. Am 3. Februar erließ er
einen Aufruf zur Bildung freiwilliger Jägerkorps; bald darauf schloß
er ein Bündnis mit Rußland und stiftete am Geburtstage seiner unvergeßlichen
Luise, am 10. März, das Eiserne Kreuz. Die Fahnen erhielten die Inschrift:
„Mit Gott für König und Vaterland", und am 17. März rief er sein ganzes
Volk zu den Waffen. In diesem ewig denkwürdigen Erlasse mahnte der
König sein Volk mit ergreifenden Worten: „Keinen andern Ausweg gibt
es, als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang, weil
ehrlos der Preuße und Deutsche nicht zu leben vermag."
Das Volk blieb die Antwort auf diesen Ruf nicht schuldig. Von den
adeligen Herrensitzen wie aus der ärmlichen Bauernhütte, aus der Werkstatt
wie vom Lehrstuhle und der Schulbank eilten Greise, Männer und Jüng-
linge herbei, um für das Vaterland zu streiten. Fast 300000 Mann standen
in der Kürze kampfbereit unter den Waffen, von 18 Bewohnern trat immer
ein Mann ins Heer ein. Die Streiter wurden im Gotteshause eingesegnet;
der Krieg galt als ein „Kreuzzug, als ein heiliger Krieg". Wer selbst nicht
mitziehen konnte, der gab das Edelste und Kostbarste seiner Habe her zur
Ausrüstung des Heeres. So wurden z. B. 150000 goldene Trauringe
von Eheleuten gegen eiserne eingetauscht. Das größte Opfer aber brachte
doch der König Friedrich Wilhelm: denn er fetzte in diesem Kampfe feine
Krone und seinen Staat aufs Spiel. — Gehoben wurde diese allgemeine
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T35: [König Bismarck Wilhelm Kaiser General Minister Stein Berlin Graf Moltke], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose]]
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